Brexit – das ungewollte Ergebnis

Da haben wir den Salat. Oder die Minzsauce. Oder der Plumpudding. Oder Chips & Vinegar. Ach die Briten haben einfach keine vergleichbar schöne Speisenallegorie, was sicher auch mit der heimischen Küche dort zu tun hat. Dahingehend könnte man ja fast froh über das Ergebnis sein, denn endlich kann man die Strafzölle auf ungenießbare Speisen erheben, die diese verdienen. Doch Europa ist angesichts des politischen Erdbeben immer noch gelähmt, war man sich doch – inklusive der Obrigkeit von der UKIP, die die „Leave“-Kampagne anführten so sicher, dass es nicht zum Ergebnis kommt, mit dem wir jetzt umgehen lernen müssen: Der Brexit wird Realität.

Bis es soweit ist, werden wohl noch gute zwei Jahre vergehen. Zunächst einmal muss das Land einen formalen Antrag auf „Entlassung“ aus der EU stellen. Dies wird David Cameron allerdings nicht mehr selbst tun, denn er hatte nach dem für ihn und von ihm provozierten katastrophalen Ergebnis des Referendums die Reißleine gezogen und ist zurückgetreten. Er wollte eine historische Figur werden, jemand, der in der Lage ist, das europakritische Lager zufriedenzustellen, indem er der EU das Maximum für Großbritannien aus dem Kreuz leiert. Mehr als einmal haben die Briten eine Extrawurst gebraten bekommen, sei es nun in der Flüchtlings-, Energie- oder Agrarpolitik. Doch die More’n’More’n’More-Mentalität der Briten war ein Fass ohne Boden und trotzdem haben sie es geschafft, es zum Überlaufen zu bringen. Immer wieder hat Cameron gedroht und im eigenen Land mit Resentiments und Vorbehalten gespielt, um seine Drohgebärden vor der EU-Kommision geltend zu machen, zuletzt mit dem Ultimatum, dem gefürchteten Referendum, wohl wissend, dass es für ihn wohl letztlich gut ausgehen wird. Am Ende zeigt sich jedoch der unvermeidliche Abgrund jeder Spielsucht: Er hat sich verzockt.

Cameron bekommt in gewisser Weise wohl seinen Willen, denn er wird wohl in die Geschichtsbücher als besondere Figur eingehen, nämlich als der Premierminister, der den Zerfall des Vereinigten Königreiches ausgelöst hat. Die Rechtspopulisten in ganz Europa wittern gar Morgenluft und wollen in ihren eigenen Ländern ebenfalls Referenden über einen EU-Verbleib durchführen, von Le Pen in Frankreich über Wilders in den Niederlanden bis zu Petry in hiesigen Gefilden. Dabei wird eines vergessen: Sowohl die Schotten als auch die Nordiren waren mehrheitlich nicht von der sehr englischen (und walisischen) Idee des Ausstiegs aus der EU angetan und votierten dementsprechend dagegen. Folgerichtig ziehen sie derzeit auch ihre eigenen Schlüsse aus dem Ergebnis und bringen gar den Ausstieg aus dem vereinigten Königreich für einen Verbleib in der EU ins Spiel – das Devided Kingdom steht bevor. Die Schotten wöllten unabhängig werden während die Nordiren mit dem Anschluss an den Rest der Insel liebäugeln. Einen weiteres Anschlussangebot kommt aber auch ein paar hundert Kilometer südlich von anderer Seite, denn die Spanier lassen die Gelegenheit ebenfalls nicht ungenutzt und kündigten Verhandlungen über Gibraltar an.

So katastrophal sich das alles anhört und nach diversen Kursabstürzen der Börsen und Währungen, kann man dies auch als Chance begreifen, nämlich für Staaten weltweit, endgültig die anachronistischen, postkolonialen Strukturen aufzubrechen und ein Stück ihrer Souveränität zurückzuerlangen. Kein Land des Commonwealth of Nations muss sich durch ein mehrheitlich von England gesteuerten Königreiches vertreten sehen, zudem kulturell wie politisch nur noch vage Bezüge bestehen. Gleichzeitig wird es Zeit für Staatengemeinschaften wie die EU, die ursprünglich als Friedensprojekt ins Leben gerufen wurde, sich jetzt in der Krise zu beweisen und zu zeigen, dass sich Vertreter verschiedener Staaten und verschiedener Kulturen an einem Tisch wiederfinden können und in vernünftiger Weise Lösungen für die Probleme finden, die das 21. Jahrhundert für uns noch bereithält. Von internationalem Terrorismus über Klimawandel und Versorgungssicherheiten in den Sektoren Trinkwasser und Energie bis hin zur Entwicklungshilfe für die Bedürftigen.

Und England/Wales? Die müssen sich erst einmal selbst finden. Einerseits gehört eine harte Linie der EU zur erzieherischen Maßnahme, andererseits sollte man sie auch nicht für alle Ewigkeiten sich selbst überlassen, denn das ist der Nährboden, auf dem Hass und Nationalismus gedeiht – ein Zeitgeist, den wir in Europa endgültig hinter uns lassen müssen.

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