Der lebensverändernde Mindblow

Über ein Jahr ist es her, dass an dieser Stelle der letzte Blogbeitrag erschien. Ein Jahr lang habe ich meine Gedanken und Hobbies an dieser Stelle nicht mehr geteilt. Man könnte fast meinen, innerhalb des vergangenen Jahres sei in meinem Leben nichts Nennenswertes passiert. Wer auch immer dies behauptet, ich würde dieser Person Recht geben und gleichzeitig nicht. Beruflich und studientechnisch tritt mein Leben auf der Stelle.

Nachdem mein Studium mich schon länger, bedingt durch das Nicht-Vorankommen bei aufgeschobenen Hausarbeiten, auf der Stelle tritt, habe ich recht zu Beginn des vergangenen Jahres den Befreiungsschlag aus dem Gedankengefängnis angetreten und mich entschieden, mein Studium so nicht mehr zu beenden. Es war eine schmerzhafte Entscheidung, schließlich musste ich mir bei allen Ambitionen, die ich noch die Jahre zuvor hatte, eingestehen, dass ich gescheitert bin. Etwas, das ich viel zu lange vor mir hergeschoben hatte… und es wurde so etwas wie Hoffnung daraus. Hoffnung, dass ich meine Energien nun in etwas Sinnvolleres investieren kann: Die Jobsuche. Ich habe schließlich bereits einen Masterabschluss, also sollte ich doch etwas damit anfangen können, so dachte ich.

Und so begann meine Bewerbungsodyssey… Woche für Woche setzte ich mehrere Bewerbungen ab, etwas später kamen Woche für Woche Absagen rein. Und so verging nun fast ein Jahr, in dem ich gerade einmal fünf Bewerbungsgespräche hatte bei unzähligen Bewerbungen und immer noch keinen Job. Der letzte scheiterte letztlich an der Personalverwaltung, die mich trotz Vorkenntnissen und Einstellungswillen des Chefs nicht geeignet sah, da mir die passende Fachausbildung fehle. Etwas, das wohl am Ende viele Absagen begründete.

Ich habe etwas Geisteswissenschafliches studiert, von daher sollte mir klar gewesen sein, dass es schwierig würde, doch ich habe im Laufe der Jahre so viel mehr gemacht. Ich habe Anfangs viel im sozialen Bereich gearbeitet, habe Ferienlager betreut, mein FSJ in der Kinder- und Jugendpsychiatrie abgeleistet, zu Beginn meines jetzigen Studiums bei der Hilfe für Menschen mit Behinderungen gearbeitet und war Teamhost bei der Ausrichtung der Rollstuhlbasketball-WM in Hamburg. Ich habe im Erststudium didaktisch gearbeitet, Tutorien und AGs geleitet, Japanern während meines Auslangssemesters Deutsch und Englisch beigebracht. Ich habe im dokumentarischen Bereich gearbeitet und mitgeholfen bei der Bücherkatalogisierung und Umstellung auf ein neues Signatursystem in der Bibliothek für ostasiatische Kunstgeschichte. Ich war und bin immer noch als Übersetzer und im redaktionellen Bereich tätig, u.a. für das Japan-Filmfest, wo ich auch bei der Eventausrichtung geholfen habe, genau wie bei meiner Tätigkeit als Spielleiter beim Escape-Gaming. Ich war hochschulpolitisch tätig in der Fachschaft, im StuPa und im AStA. Seit viereinhalb Jahren arbeite ich im IT-Bereich. Und daneben habe bin ich noch diversen Hobbies nachgegangen, von denen ihr im Laufe der letzten knapp 15 Jahre zum Teil in diesem Blog lesen konntet.

Eines dieser neueren Hobbies ist das Streamen via Twitch, welches mir sehr durch die schwere Zeit im letzten Jahr geholfen hat: Einmal dadurch, dass ich durch den Streamingplan eine gewisse Regelmäßigkeit innehatte, die das Arbeiten in meinem Studijob – aufgrund der Pandemie überwiegend im Home Office – nicht vermochte. Zum Anderen durch die neuen Kontakte, die ich dadurch knüpfen konnte. Ich lernte weitere Streamer kennen, verband mich mit Ihnen über Discord und habe diese teilweise auch im vergangenen Jahr kennengelernt und dadurch sogar echte Freundschaft gefunden.

Doch warum schreibe ich dies hier alles? Kommt da noch ein Twist oder ist es nur eine weitere Geschichte von vielen, die ihr Leid klagen, weil die Pandemie das Leben vieler Menschen aus der Bahn geworfen hat? Nun, bis gestern hätte ich gesagt: Das ist es. Doch dafür hätte ich diesen Artikel nicht geschrieben. Doch heute geriet mir zufällig ein Artikel in den Suchlauf, der mich gleichsam fesselte und überraschte. Ein Artikel, der mich mit anderen Augen auf mein bisheriges Leben schauen ließ. Ich will ihn euch nicht vorenthalten: Es ging um das Bild der Scanner-Persönlichkeiten.

Zuvor habe ich davon nie etwas gehört, doch je mehr ich davon las, desto mehr wurde mir bewusst: Das bin ich. Es erklärt nicht nur meinen kurzen Lebensabschnitt der vergangenen 15 Jahre, den ich euch dort oben schilderte, sondern es erklärt mein Leben: Meine zahlreichen Hobbies, meine Wissbegierigkeit, mein Begeisterungsfähigkeit, meine sprunghaften Interessen sowie deren plötzlicher Verlust. Bereits in meinem Grundschulzeugnis stand im Bericht immer wieder der Satz „beteiligt sich je nach Neigung und Interesse“. Meine Berufswünsche reichten vom typischen Zugschaffner über Geologe, Journalist und Schriftsteller, Mediziner und Psychologen bis hin zum Lehrer, Informatiker und Spieleentwickler. Meine Profilwahl in der Schule, meine Studienfächer und deren interne Ausrichtung… es divergierte in so viele unterschiedliche Richtungen, sodass keine klare Linie erkennbar ist: Sprachlich, naturwissenschaftlich, gesellschaftswissenschaftlich… Ich weiß nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll.

Und es erklärt auch meine Schwierigkeiten, die ich mit wissenschaftlichen Arbeiten habe. Mir fällt es schwer, mich lange für ein Thema zu begeistern und einer monotonen Arbeit nachzugehen. Ich brauche Veränderung, Abwechslung und unterschiedliche Themenfelder. Dabei liegt mein großes Talent darin, mich schnell in unbekannte Sachverhalte einzuarbeiten – ironischerweise ein anderer Satz, der sowohl in meinem Grundschulzeugnis als auch in Arbeitszeugnissen immer wieder auftaucht. Doch alles bringt nichts in dieser Gesellschaft, in dieser Arbeitswelt, die auf Fachpersonal und Konsistenz aufgebaut ist. Es taugt auch nicht für den wissenschaftlichen Dienst, der sich bis zur Erschöpfung in die Tiefe mit einem Thema beschäftigt. Und es macht auch Probleme im Privaten, wenn man zwischen Interessen wandelt und gleichzeitig versucht, jedem gerecht zu werden.

Was fange ich nun mit dem Wissen an? Ich möchte an dieser Stelle auf jeden Fall nicht stehen lassen, dass ich allein Opfer meiner Umstände bin, sondern natürlich einen aktiven Teil zum Wirken in meinem Leben beitragen kann. Trotzdem war es mehr als erforderlich, zu dieser Erkenntnis zu gelangen, nämlich einordnen zu können, warum man so ist, wie man ist und dass man nicht falsch ist in der Welt. Ich fühle mich zwar für den Moment ohnmächtig angesichts der Aufgaben, die auf mich und meine Persönlichkeitszüge warten, doch gleichzeitig auch bemächtigt, endlich zu wissen, wie ich etwas ändern kann, um mein Leben wieder selbst steuern zu können und in eine hoffentlich bessere Zukunft zu blicken. Und ich hoffe auch, dass meine alten und neugewonnen Freunde, mich in diese begleiten werden.

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