Seit fast zwei Wochen denke ich darüber nach, diesen Blogtext zu schreiben, hielt mich bisher allerdings zurück, falls mir für den Oktober doch noch was Besseres einfällt. Wie ihr seht, war dies nicht der Fall. Also gehen wir es an…
Die letzten Wochen waren geprägt von oben genanntem Raute-Schlagwort oder wie es auf Neudeutsch heißt: Hashtag. Ähnlich wie zuvor #aufschrei stellte #metoo die Opfer von Sexismus und sexueller Gewalt in den Mittelpunkt: Frauen, die darüber berichten, wie sie systematisch benachteiligt, angemacht, begrabscht oder gar missbraucht wurden. Schnell bildete sich dagegen die Front der Relativierer und an den Pranger gestellten Männer. Von „Ich habe damit nichts zu tun“ über „Die sollen sich mal nicht so haben“ bis hin zu „Wenn ihr so aufreizend rumlauft“ oder „Die gehören nur mal ordentlich gefickt“ war wohl alles dabei. Zu letztgenannten beiden muss man wohl nichts mehr sagen, die sind wohl unter aller Sau, zeigen sie doch ein anschauliches Beispiel des Problems. Die ersten beiden gehören eher der Kategorie an „Ihr übertreibt doch nur“, und stellen damit die zweite Ebene da, die den Boden für die problematischen anderen beiden Kommentare bereiten, ähnlich wie Mobbing nur möglich wird dadurch, das genug Leute wegschauen.
Und hier liegt des Pudels Kern: Natürlich sind nicht alle Männer Sexisten, geschweige denn Triebtäter. Der Hashtag will aber genau diejenigen, die es nicht sind, darauf aufmerksam machen, dass es solche Leute gibt und man diesen entschieden entgegentreten muss. Doch was er tatsächlich ausgelöst hatte, war, dass sich viele Männer angegriffen und zu Unrecht verurteilt fühlten, Reaktanz war die Folge. Auch wenn Teile der Männerschaft mit #howiwillchange genau diesen Punkt angegangen sind und so kurz es Twitter eben zulässt beschrieben haben, was genau sie in Zukunft gedenken zu tun, wenn sie Zeuge von Sexismus oder Misogynie werden. Ein anderer Teil der Männerschaft sah jedoch eher, dass hier zu sehr Frauen in den Mittelpunkt gerückt würden und hielt dem #mentoo entgegen, unter dem sich ausgelassen wurde, dass auch Männer Sexismus und Missbrauch erdulden, wohingegen Frauen mit #menot bekunden, dass sie nicht betroffen sind, um den Eindruck, dass alle Frauen Opfer seien, zu entkräften. Dies triggerte wiederum Feministen, die sich hintergangen fühlten.
Nun, warum führe ich dies hier alles aus? Was ist meine Position zu dem Ganzen und wo bleibt das große ABER? Um ehrlich zu sein, wurde ich durch einen Text von SPON-Kolumnistin Margarete Stokowski getriggert, vor allem, da sie neben Jan Fleischhauer diejenige ist, die mich am häufigsten zur emotionalen Reaktion aus einer Mischung von Kopfschütteln und Gesichtspalme verleitet. Auch dieser Artikel, der doch einige gute Punkte setzte, versetzte sich selbst gegen Ende einen Schwung hin zum wahren Kern, nämlich Macht. Es geht um Machtgefüge, Machterhalt, Machtübergabe. Und natürlich leben wir trotz einer Frau Merkel als wohl mächtigste Frau der Welt immer noch in einer größtenteils patriarchalen Gesellschaft. Nur, ist dies damit aufzulösen, indem man die Gewichte von der männlichen Waagschale in die weibliche überführt? Oder indem man neue Gewichte entwirft, welche in der männlichen gar nicht vorkommen, um die weibliche Seite anzugleichen? Immerhin darf ein Mann kein Gleichstellungsbeauftragter werden, wie das Landesgericht in Greifswald urteilte. Schließlich sei das Maßnahme der Frauenförderung, für die die Stelle ja ursprünglich geschaffen wurde, bevor man sie von der Frauenbeauftragten zwar umbenannte, aber nicht die Ideologie dahinter anpasste. Warum könnte man hier nicht fordern, dass die Stelle doppelt besetzt wird, um beider Seiten gerecht zu werden?
Nun ist es so, dass man in der modernen Welt dazu genötigt wird, eine Seite zu wählen: Entweder man ist feministisch oder misogyn. Dazwischen gibt es offenbar keinen Platz. Würde ich mich also als Feministen bezeichnen, weil ich für Gleichberechtigung bin und dafür, Frauen an vielen Stellen das Ruder in die Hand zu geben und sie den Kurs steuern zu lassen anstelle der üblichen Besetzung der Verantwortungspositionen mit Männern? Nein, die Begründung liegt in dem Begriff selbst, denn hatte er zur Zeit seiner Schöpfung und seiner Funktion in der Frauenbewegung durchaus seine Berechtigung, machen die Neo-Feministinnen, zu denen auch Stokowski gehört, den Fehler, die eigene Modernisierung auszuschließen und sich einem Konservatismus zu unterwerfen, den sie andererseits als schädlich für die Moderne betrachten. Ich bin Egalitarist oder Equilibralist? Welches Label man dem auch immer geben möge, ich denke, wir sind so weit, dass wir die konfrontative Haltung, die die Schlacht der Geschlechter darstellt, aufgeben müssen und eine Handreichung beider Seiten erreichen. Alles würde wesentlich einfacher, wenn man zusammenarbeitet, um die Probleme an der Wurzel zu packen.
Was ist nun also von dem eingangs erwähnten #meetoo zu halten? Ich für meinen Teil empfinde den Grundgedanken durchaus angebracht, ein Thema anzusprechen, das viel zu oft tabuisiert wird und immerhin hat die Debatte dazu geführt, dass sich Opfer von Missbrauch nach vielen Jahren das erste Mal trauen, sich zu äußern. Was mir daran weniger gefällt, ist, wie der Hashtag überhaupt in die Welt kam. Die Debatte wurde durch den Fall Harvey Weinstein ausgelöst und kam im Zuge zahlreicher erfolgreicher und bekannter Schauspieler aus Hollywood. Dies impliziert zwei Dinge: 1. Es wird in die Promi-Gossip-Ecke geschoben und schon nächsten Monat keine Sau mehr interessieren. 2. Es wird erst zum Problem, sobald die obere Schicht betroffen ist und dahingehend manifestiert sich wieder einmal das Machtgefälle gegenüber den Betroffenen der unteren Schichten, die in weitaus größerer Zahl sein dürften. Auf der anderen Seite fürchte ich, dass durch das Format des Ganzen, als schnelllebiges Twitterthema, hier Dinge zusammengefasst und trivialisiert werden, die nicht zusammengehören. Eine dumme Anmache auf einer Party wird in gleicher Weise abgehandelt wie ein jahrelanger schwerer Missbrauch – in 280 Zeichen.
Wenn man dies so betrachtet, ist es fast heuchlerisch von den Feminist*innen dieser Welt, auf dieser Welle mitzureiten und möglicherweise der Trivialisierung des Sachverhaltes Vorschub zu leisten, auch wenn man eigentlich eine gute Sache im Sinn hat. Gut gedacht ist leider noch nicht gut gemacht… Andererseits ist es bezeichnend für den Rest der Welt und auch für die Medien, ein grundsätzlich wichtiges Thema erst dann anzugehen, wenn es den eigenen Interessensbereich tangiert oder sich monetär ausschlachten lässt, in dem Fall eben Filmstars. Jeder sollte sich zumindest so viel für seine Mitmenschen interessieren, dass ihm der Kampf um eine gute Sache wichtig ist – jederzeit, nicht nur, wenn es gerade trendy ist. Daran zu appellieren wäre angebrachter als eine Aufzählung von Verhaltensregeln für Männer, wie sie Stokowski müßig findet oder eine Flut an Betroffenheitseinträgen auf Twitter, die bald darauf in der Timeline von süßen Katzenfotos und Meinungen zur neuesten Game of Thrones-Folge ersetzt werden. Vermutlich lässt sich die langfristige Lösung des Ganzen in etwas zusammenfassen, das im Ohr bleibt. In diesem Sinne: Zeigt Respekt füreinander.
Ich finde dein Beitrag hat durchaus gute Ansätze (oder at least you tried?), aber trotzdem gibt es auch einiges zu bemängeln.
Erstens ist es eben der Beitrag eines Mannes bezüglich eines Themas, welches ihn nicht betrifft (zumindest sind Männer hier nicht die betroffenen Opfer). Und in diesem Sinne ist er doch recht negativ verfasst.
Die #metoo Bewegung war für viele Frauen ein Befreiungsschlag und jede einzelne hat sich bewusst dafür entschieden, ihre Geschichte im Internet zu veröffentlichen, so kurzweilig dessen Gedächtnis doch auch sein mag. Es war eine empowernde Handlung, die man auch als solche wahrnehmen sollte, statt infrage zu stellen, ob Frauen sich den negativen Aspekten denn überhaupt bewusst sind.
Und nein, wir brauchen keine männlichen Gleichstellungsbeauftragten in einer Welt, die (weiße cis) Männer ohnehin in jeglicher Form bevorzugt, da diese das System regieren. Was sollten diese Männer tun? Was wäre ihre Aufgabe? Sich weiter für patriarchale Strukturen stark machen und das misogyne System aufrecht erhalten ?
Du nimmst in deinem Text auch leider nur Bezug auf „negativen Feminismus“, der deiner Meinung nach zu konservativ, etc. ist.
Dabei gibt es hier ein so breit gefächertes Spektrum an Feminismus und Feminist*innen, wieso nur der Bezug zum Negativen?
Es geht Feminist*innen doch grundlegend auch um Gleichberechtigung für alle Geschlechter, trotzdem lese ich auch hier wieder die Angst vor dem Machtverlust heraus. Und natürlich muss man sich in einer Welt, die absolut klar das eine Geschlecht bevorzugt, Feminist sein.
Wenn du für Gleichberechtigung bist, bist du Feminist, so einfach ist das.
Es geht prinzipiell darum, dass alle Geschlechter gleich behandelt werden und nicht darum, vom Patriachat ins Matriachat zu wechseln (wobei, seien wir ehrlich, wir würden einen weitaus besseren Job machen 🙂 siehe Trump, Bolsonaro, Erdogan und Co.).
Das Buch „unsichtbare Frauen“ gibt wirklich gute Einblicke darin, inwieweit Frauen in unserem herrschenden System benachteiligt sind.
Ich finde zuhören, statt selbst laut sein, ist die Devise, wenn Frauen etwas zu sagen haben.
Vielen Dank für deinen Beitrag, zu diesem schon etwas älteren Post von mir. Ich habe sicher beim ein oder anderen meine Perspektive geändert, daher möchte ich jetzt nochmal aus heutiger Sicht auf die einzelnen Punkte eingehen.
Ich sehe, dass mich der Beitrag von #metoo natürlich nur peripher betrifft, dennoch sollte das nicht dazu führen, dass man nicht seine Meinung zum Thema äußern sollte. Damals wie heute halte ich die Bewegung wichtig, ich habe mich auch nicht negativ zum Hashtag oder den Ergebnissen geäußert, sondern mich hauptsächlich über die Kolumne von Frau Stockowski ausgelassen, die leider nicht immer ein gutes Beispiel von Feminismus abgibt sowie die Tatsache, dass auf Twitter seinerzeit zuviel über einen Kamm geschert wurde und dem Thema so nicht wirklich gerecht wurde. Der Protest hätte bereits damals, ähnlich wie Black Lives Matter, auf die Straße getragen werden sollen, wie es eben mittlerweile in Polen oder Argentinien der Fall ist (vor allem in Bezug auf Recht auf Abtreibung).
Zum Gleichstellungsbeauftragten hat sich einiges inzwischen geändert. An unserer Uni z.B. wird die Stelle tatsächlich doppelt besetzt jeweils von einem Mann und einer Frau. Mittlerweile ist es nämlich tatsächlich so, dass in bestimmten Bereichen Männer unterrepräsentiert sind, und so sieht man auch öfter mal in einer Ausschreibung, dass auch Männer ermutigt werden sollen, sich zu bewerben. So gibt es gerade in den sozialen Berufen, aber auch in den Lehrbetrieben in vielen Bereichen zu wenig Männer. Dies liegt leider auch an einem negativen Image, dass man z.B. Kindergärtnern unterstellt. Jemand, der als Mann mit Kindern arbeitet, muss entweder pädophil oder will Macht an Schwächeren ausüben. Daneben ist es natürlich eine Tatsache, dass viele Männer sich eher seltener für Berufe entscheiden, in denen man wenig verdient, denn leider werden diese systemrelevanten Berufe – wie jedem spätestens nach diesem Jahr klar geworden sein sollte – viel zu wenig gewürdigt.
Darüber hinaus negiere und negierte ich niemals, dass Frauen noch vielfach benachteiligt sind und deshalb Förderung bedürfen, seien es über Quoten oder Unterstützung in bestimmten Feldern. Dennoch möchte ich mich ungerne von dem Begriff Feminist vereinnahmen lassen. Wenn du mich so bezeichnen willst, dann okay, aber eine Selbstbezeichnung wird das nie werden. Einfach aus den o.g. Gründen: Er ist archaisch und geht auf ein binäres Geschlechterverhältnis zurück, das ich nicht unterstütze. Egalitarist oder Equilibralist wären daher die für mich naheliegenderen Begriffe, nämlich Gleichberechtigung (nicht Gleichbehandlung!) aller Geschlechter.