Bürgerliche Rechte

Ein Ruck geht durch Deutschland, doch nicht von der freundlichen Sorte. Wer in den vergangenen Tagen die Nachrichten verfolgt hat, der wird auf eine obskure Abkürzung gestoßen sein: PEGIDA – Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. Ausgeschrieben finde ich ein Substantiv darin widerlicher als das nächste, heuchlerischer als das vorherige. Warum, möchte ich im folgenden ausführen.

In meinem geplanten und letztlich ungeschriebenem Beitrag Mitte des Jahres wollte ich mich bereits kritisch mit dem Begriff Patriotismus sowie dem Umgang mit diesem auseinandersetzen. Aufhänger war damals die Fußball-WM mit dem, wie wir wohl alle wissen, Sieger namens deutsche Nationalmannschaft. Damals hatte ich es verpasst, diesen zu texten als das Thema aktuell war, nun habe ich eine erneute Chance, das ganze aufzugreifen. Der Ausgang führte zu schwenkenden Flaggen und „DEUTSCHLAND!“ – oftmals zur rauschfreundlicheren Abkürzung „SCHLAND!“ korumpiert – grölenden, alkoholisierten Fans. Marc-Uwe Kling lies in „Die Känguru-Chroniken“ durch das titelgebende Känguru den schlauen Satz dazu sagen: „Die Fahne in der Hand geht oft einher mit der Fahne im Mund“. Zu WM-Zeiten sicher und auch auf die Dauernationalisten trifft das zu. Doch PEGIDA ist anders, und das macht es ungleich gefährlicher.

Initiiert von versteckten Nationalisten sprechen sie die Sorgen des ganz gewöhnlichen Spießbürgers an: Sorgen um Besitz, Arbeit, Unversehrtheit. Ein Feindbild muss also her und da eignet sich am besten das, was man eh nicht so kennt und einem schon allein aus diesem Grund nicht sonderlich geheuer ist: Ausländer. Sachsen hat laut Statistischem Bundesamt einen Ausländeranteil von 2,8% an der Gesamtbevölkerung, was im Vergleich zu Berlin und sämtlichen westlichen Bundesländern lächerlich gering ist. Trotzdem befürchten Teile der Bevölkerung eine Islamisierung und damit einschneidende Kulturveränderung ihres Landes, das sie so lieben. Die Angst wird vor allem durch die Medien geschürt und durch Berichte über die terroristischen Machenschaften des Islamischen Staates (IS). Gerade rechtspopulistische Zeitungen haben dabei auch kein Problem, den Islam in seiner Gesamtheit in entsprechende Ecke zu schieben und damit gleichzeitig der AfD Kundschaft zuschieben. Diese Partei, die offen im rechten Sumpf fischt und teilweise gleichartige Parolen wie die braunen Kameraden der NPD verwendet, ist in vielen Gegenden Deutschlands, vor allem Ost-Deutschlands, en vogue. Für die offenen Nazis scheinen sie eine erfolgreichere Alternative zu letztgenannter Partei, für das Spießbürgertum eine wählbare Option, um ihre versteckten Ressentiments in die Öffentlichkeit zu tragen. PEGIDA ist da nur ein lokales Maximum.

Die Abkürzung ist vor allem clever, denn Abkürzungen verschleiern den Inhalt. Doch spricht man mal wirklich aus, was diese Worte bedeuten, sollten freiheitsliebenden, historisch gebildeten Menschen dieses Landes die Alarmglocken läuten. Patriotismus… das ist doch dieses Konstrukt, auf Landsleute stolz zu sein, die etwas geleistet haben, auch wenn man darauf keinen eigenen Einfluss genommen hat. Europa… das ist unser Kontinent, aber das ist vor allem die EU, die verhasste Regulierungsbehörde aus Brüssel, die man am liebsten abschaffen will. Aber PEGIDA lässt sich nun mal leichter aussprechen als PDGIDA. Islamisierung… diese abstrakte Bedrohung, die wir in der Festung Europa, die sich mit Stacheldraht gegen Flüchtlinge aus Afrika absichert, empfinden, weil ein paar bärtige Heiopeis meinen, sie würden Menschen zum „wahren Glauben“ bekehren, in dem sie kostenlose Exemplare des Korans in Fußgängerzohnen verteilen und gegen die sich schon ein namentlich verwandtes Bündnis – Hooligans gegen Salafisten (HOGESA) – gebildet hat. Und zu letzt ist da das Abendland… ein ebenso abstraktes Konstrukt, ein Begriff aus der alten Welt, in der noch niemand wusste, dass jenseits des Atlantiks eine weitere großkontinentale Fläche darauf wartete, gewaltsam besiedelt zu werden.

Ich möchte den Bogen an dieser Stelle nur kurz überdehnen, um auf einen großen Staatenbund auf der anderen Seite des, von uns aus gesehen, westlichen, großen Teichs hinzuweisen. Dieser stellt eine gruselige Zukunft dessen da, was uns blühen könnte, wenn Spinner wie die nationalistischen Teilnehmer und gefangenen Bauern die Oberhand haben. Eine Atmosphäre der Angst, der ständigen Bedrohung, kurzum: Paranoia. Der Terrorist könnte an jeder Ecke lauern, der kriminelle „schwarze Mann“ könnte mein Leben bedrohen, also muss man vor ihm gefeit sein. Das geht dort am besten mit Waffen. Vor dieser Paranoia sind auch die vermeintlichen Profis vor der Polizei nicht sicher, wie die jüngsten Fälle von Polizeigewalt gegen unbewaffnete Menschen, anderer Ethnie zeigen. Wollen wir solche Verhältnisse auch hier haben? Es liegt vielfach in der Hand der Medien, denn sie streuen die Infos und sollten dies mit Verantwortung in ihrer Nuance ihres Wortlauts tun, denn am Ende könnte es sich alles gegen sie wenden. Es wäre nicht das erste Mal, dass Zeitungen zum propagandistischen Sprachrohr werden und auch wir, die wir die Freiheit und den Frieden auf unserem weitgehend sicheren Kontinent gewohnt sind, sollten uns bewusst werden, dass ohne Investition zur Erhaltung dieses Status, alles wieder kippen könnte.

Zurück zur PEGIDA und den dortigen Mitläufern, die hauptsächlich aus besorgten, älteren Leuten bestehen, die den Medien, spätestens seit der definitiv nicht neutralen Berichterstattung über die Ukraine-Krise, nicht mehr über den Weg trauen. Menschen, die aus Angst, ihre Worte könnten kontextentstellend zusammengeschnitten werden, keinen Ton herausbringen, sobald eine Kamera und ein Mikro auf sie gerichtet sind. Und vor allem Menschen, die Sätze mit „Ich bin kein Nazi, aber…“ beginnen. Wer sich bereits mit solchen Einschränkungen im Voraus rechtfertigen muss, ist sich durchaus bewusst, dass das, was er zu sagen hat, nicht politisch korrekt ist. Das sollte es auch gar nicht sein, aber es sollten gewählte Worte auf einer rationalen Basis sein und keine abstrakte Angst vor etwas, das nie eintreten wird, die letztlich zur Eskalation der Gesamtsituation führen könnte. Garniert wird dies häufig mit dem Abschlusssatz „Das wird man doch wohl mal noch sagen dürfen!“, welcher zur Absicherung der freundlichen Gesinnung oder zumindest der submissiven Haltung des Gegenübers dient. Dem möchte ich mich jedoch völlig verwehren. Ein Land, dass bereits ein Bundesverdienstkreuz für Menschen fordert, die in Situationen Rückgrat gezeigt haben, in denen es selbstverständlich sein sollte, einzugreifen, gesteht sich ein, dass es zu einem Großteil aus Feiglingen besteht, und diese sind gerade nicht gefordert, wenn es darum geht, sich den Kräften einer fehlgleiteten vokalen noch Minderheit in einigen Städten des Landes entgegenzustellen. Doch in diesem Land ist man vor allem eines: Vordergründig offen, aber geschlossen im Geist und auf dem rechten Auge blinder als auf dem linken.

Genug gesagt, denn ein Monolog hilft nicht weiter. Eure Meinung zu den vielen, hier angesprochenen Themen ist gefragt und ich würde mich wirklich freuen, davon ausführlich zu lesen. Dafür ist der Kommentarbereich schließlich da!

Übrigens: Der Beitrag ist zurückdatiert, um die folgenden Beiträge etwas räumlich zu entzerren.

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