Weil es schon immer so war…

Die Synode des Vatikans ist vorüber und wie nicht anders zu erwarten, war das Ergebnis ernüchternd. Angestoßen durch Papst Franziskus wollte man darüber diskutieren, inwieweit man die katholische Kirche Reformieren kann. Nicht weniger als eine Neuausrichtung sollte es werden, insbesondere im Umgang mit Geschiedenen, Wiederverheirateten und Homosexuellen. Doch am Ende setzten sich die streng Konservativen durch. Es darf keine Änderung geben, man muss an den Glaubensgrundsätzen festhalten und wenn dazu die Diskriminierung bestimmter Gruppen gehört – liebe deinen Nächsten und so…

Doch im Grunde ist mir das persönlich ziemlich egal bzw. könnte es mir egal sein, da ich dem Verein nicht angehöre und jeder, der mit den Vorgängen „seiner Kirche“ nicht zufrieden ist, kann das ebenso handhaben. Wer Glaubensbedarf hat, brauch dazu die Kirche nicht. Doch leider nimmt diese in Form vielerlei Einrichtungen und Institutionen noch immer großen Einfluss auf unser Leben: kirchliche Kindergärten, Krankenhäuser, sogar Schulen. Die Trennung, wie sie in einem laizistischen Staat geboten wäre (welcher Deutschland natürlich nicht ist), ist bei uns noch immer nicht vollzogen, und dass sich daran nichts ändert, dafür sorgen schon entsprechende Parteien und Lobbyisten. Aber bevor ich vom Aufhänger meines eigentlichen Themas abschweife, begebe ich mich zurück auf den Pfad.

Konservatismus und Traditionalismus – es steckt in jedem von uns auf die ein oder andere Weise. Eine Unterstellung? Möglicherweise. Aber habt ihr nicht auch ab und zu den Gedanken, dass früher doch alles irgendwie besser war. Und erinnert man sich da nicht gern an die Zeit als die Welt noch schwarz-weiß war? Als Videospiele noch Spaß machten? Als man nach der Schule nach Hause kam, seinen Schulranzen in die Ecke schmiss und Zeichentrickserien schaute? Und natürlich, als man sich noch nicht intensiver mit Nachrichten beschäftigte und einen Überblick davon bekam, was in der Welt alles schief läuft? Und deswegen erinnern wir uns gerne zurück, feiern Feste, die wir früher schön fanden, gehen bestimmten Ritualen nach, die einfach Tradition sind.

Auf die Gegenwart und Zukunft bezogen, geben sich viele Menschen natürlich anders. Zumindest vordergründig ist jeder tolerant und weltoffen. Wir wollen eine bessere Welt, nicht nur für uns, sondern auch für die Folgegeneration. Dieses Bewusstsein ist eines der herausragendsten Merkmale des 21. Jahrhunderts. Doch dies alles nur so lange, wie es uns möglichst wenig Umstände bereitet. An Mülltrennung sind wir gewöhnt, aus Mangel an Alternativen benutzen wir öffentliche Verkehrsmittel um zu Uni und Arbeit zu gelangen und natürlich sind wir auch freundlich gegenüber Ausländern und Andersdenkenden. Aber wenn man sich durch die Kommentarspalten der großen Online-Magazine liest oder einfach die Wahlergebnisse der vergangenen Landtagswahlen betrachtet, erkennt man, dass es mit der Toleranz und Weltoffenheit nicht weit her ist. Da kommen Menschen aus den hinterletzten Käffern, die Ausländer maximal aus der Bildzeitung kennen und schwadronieren altbackene Thesen wie dass die einen Ausländer einem die Arbeitsplätze wegnähmen und die anderen den Sozialstaat ausnutzen. Ein anderes häufig diskutiertes Thema ist die drohende „Homosexualisierung der Geselschaft“ [sic!]. Als ich diese Zeilen in einem Spiegel-Kommentar las, musste ich herzhaft lachen, obschon es eigentlich traurig ist, dass, nur weil in den Medien über diese Menschengruppe berichtet wird oder alljährlich ein paar verrückte Hühner sich auf dem CSD in Szene setzen, Menschen (zumeist männlich) ihr „traditionelles Familienbild“ in Gefahr sehen nebst ihrer Angst davor, von Schwulen „angemacht“ zu werden, im Populärjargon Homophobie genannt. Zu dem Thema hatte ich mich an anderer Stelle bereits geäußert.

Früher, ja früher hätte es sowas nicht gegeben. Ebensowenig wie Weihnachtsgebäck zum Herbstbeginn im Supermarkt, Cybermobbing, vermehrte Schwangerschaftsabbrüche. Man betrachtet verstärkt die negativen Seiten des Weltenwandels und Befürchtungen vor jenen und vergisst dabei, dass es lediglich Nebeneffekte einer sich modernisierenden Gesellschaft sind. Wir kaufen Dominosteine im September, deswegen werden sie angeboten. Wir nutzen das Internet, das heißt, dass wir dort nicht nur auf nette Menschen treffen. Und Frauen wollen selbst entscheiden können, ob sie bereit sind, ein Kind in die Welt zu setzen, auch wenn die Verhütung mal nicht so geklappt hat. Das heißt nicht, dass man nicht den ein oder anderen Aspekt daran kritisieren oder verbessern könnte, aber wir sollten lernen, dass Veränderungen Teil des Lebens sind und diese als Chance begreifen. Nichts bleibt für die Ewigkeit. Vielleicht wird man in hundert Jahren nur noch müde über unsere Rückständigkeit heute lachen, vielleicht wird man sogar ein seltsames Befremden bei dem Gedanken, dass wir uns über so viele unnötigen Dinge Sorgen gemacht haben und viele Menschen gar die in Erwägung zogen, eher die Rolle Rückwärts anzutreten anstatt das Neue, das Unbekannte anzunehmen und daran zu arbeiten, dass die negativen Aspekte ausgemerzt werden.

Ausländer respektive die hier Geborenen mit Migrationshintergrund sollten genauso behandelt werden wie die, die auf viele Generationen deutscher Vorfahren zurückblicken können und dementsprechend anhand ihrer Fähigkeiten arbeiten dürfen können. Homosexuelle sind auch Menschen, die andere lieben, sich sogar liebevoll um adoptierte Kinder kümmern können, warum sollte man es ihnen nicht ermöglichen zu heiraten? Warum sollte man Wiederverheiratete diskriminieren, nur weil sie sich zuvor geirrt haben und sich die Partnerschaft anders entwickelt hatte, als vorausgesehen? Warum haben Menschen Angst vor dem Internet, das trotz allen Missbrauchs – darunter der durch die NSA – so viel Nutzen in puncto Kommunikation, Wissensvermittlung, Unterhaltung und, hinsichtlich restriktiver Systeme anderer Staaten, eine ausgleichende Plattform der Demokratie anbietet? Weil sich viele nicht damit befassen und es auch nicht vorhaben. Ihnen ist all das nicht geheuer, weswegen man sich lieber eingräbt und darüber flucht, wie verkommen die Welt doch sei, statt in den Dialog zu treten und seinen Horizont zu erweitern. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Dies gilt hoffentlich eines Tages auch für die katholische Kirche.

Puh… dieser Eintrag ging letztlich in eine etwas andere Richtung als geplant, aber ich hoffe mein Punkt ist, ob der mannigfaltigen Beispiele, klar geworden: Bleibt offen für Neues und bewahrt eure kritische Haltung gegenüber dem, was euch vertraut erscheint, denn man kann nur das anständig kritisieren, was einem bekannt ist.

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4 Kommentare zu „Weil es schon immer so war…“

  1. Leider können uns die Machenschaften der Kirche nicht egal sein. Man vergisst leider oft, dass die Kirche für die Diskriminierung und Verfolgung von Homosexuellen in Teilen Afrikas und anderen Teilen der Welt mitverantwortlich ist.
    Durch das Verbot von Kondomen trägt sie außerdem zur Verbreitung von HIV bei.
    Was ich zum Thema Ausländer teilweise auf Facebook und Kommentaren lesen muss, lässt mich auch sehr daran zweifeln, wie tolerant Deutschland ist. Zu dem Thema wollte ich aber auch noch einen Beitrag schreiben…

    1. Deswegen schrieb ich ja, dass sie mir egal sein könnte, wenn nicht… und bin jetzt halt hauptsächlich auf die Situation in Deutschland eingegangen. Global betrachtet ist die Situation natürlich noch wesentlich schlimmer, aber da nehmen sich die Abrahamitschen aber auch nicht viel.

      1. Natürlich ist die katholische Kirche nicht alleine für die weltweite Homophobie verantwortlich, leider leistet sie dazu aber einen recht großen Beitrag.
        Dagegen ist die Situation in Deutschland tatsächlich fast paradiesisch.
        Die Synode spricht aber eben nicht nur für die deutsche Kirche, gerade deswegen wäre ein deutliches Zeichen für mehr Toleranz so wichtig gewesen.

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